Schneeglöckchen

Der Schnee, der gestern noch in Flöckchen
 Vom Himmel fiel,
Hängt nun geronnen heut als Glöckchen
 Am zarten Stiel.

Schneeglöckchen läutet, was bedeutet's
 Im stillen Hain?
O komm geschwind! Im Haine läutet's
 Den Frühling ein.

O kommt, ihr Blätter, Blüt' und Blume,
 Die ihr noch träumt,
All zu des Frühlings Heiligtume!
 Kommt ungesäumt!

Der Wanderer

Es geht ein Wand'rer durch die Nacht
Mit gutem Schritt;
Und krummes Tal und lange Höhn -
Er nimmt sie mit.
Die Nacht ist schön -
Er schreitet zu und steht nicht still,
Weiß nicht, wohin sein Weg noch will.

Da singt ein Vogel durch die Nacht.
"Ach Vogel, was hast du gemacht!
Was hemmst du meinen Sinn und Fuß
Und gießest süßen Herz-Verdruß
In's Ohr mir, daß ich stehen muß
Und lauschen muß -
Was lockst du mich mit Ton und Gruß?"

Alte Liebe

Es kehrt die dunkle Schwalbe
Aus fernem Land zurück,
Die frommen Störche kehren
Und bringen neues Glück.

An diesem Frühlingsmorgen,
So trüb' verhängt und warm,
Ist mir, als fänd' ich wieder
Den alten Liebesharm.

Es ist als ob mich leise
Wer auf die Schulter schlug,
Als ob ich säuseln hörte,
Wie einer Taube Flug.

Es klopft an meine Türe,
Und ist doch niemand draus;
Ich atme Jasmindüfte,
Und habe keinen Strauß.

Mond, meiner Seele Liebling

Mond, meiner Seele Liebling,
Wie siehst du heut' so blass?
Ist eines deiner Kinder,
O Mond, vielleicht unpass?

Kam dein Gemahl, die Sonne,
Vielleicht dir krank nach Haus?
Und du trittst aus der Wohnung,
Weinst deinen Schmerz hier aus?

Ach! guter Mond, ein gleiches
Geschick befiel auch mich.
Drin liegt mir krank die Mutter,
Hat mich nur jetzt um sich!

So lasst mich scheinen, bis ich werde

So laßt mich scheinen, bis ich werde,
Zieht mir das weiße Kleid nicht aus!
Ich eile von der schönen Erde
Hinab in jenes feste Haus.

Dort ruh' ich eine kleine Stille,
Dann öffnet sich der frische Blick;
Ich lasse dann die reine Hülle,
Den Gürtel und den Kranz zurück.

Und jene himmlischen Gestalten
Sie fragen nicht nach Mann und Weib,
Und keine Kleider, keine Falten
Umgeben den verklärten Leib.

Singet nicht in Trauertönen

Singet nicht in Trauertönen
Von der Einsamkeit der Nacht.
Nein, sie ist, o holde Schönen,
Zur Geselligkeit gemacht.

Wie das Weib dem Mann gegeben
Als die schönste Hälfte war,
Ist die Nacht das halbe Leben
Und die schönste Hälfte zwar.

Könnt ihr euch des Tages freuen,
Der nur Freuden unterbricht?
Er ist gut, sich zu zerstreuen;
Zu was anderm taugt er nicht.

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