Jägers Abendlied

Im Felde schleich' ich still und wild,
Gespannt mein Feuerrohr.
Da schwebt so licht dein liebes Bild
Dein süßes Bild mir vor.

Du wandelst jetzt wohl still und mild
Durch Feld und liebes Thal,
Und ach mein schnell verrauschend Bild
Stellt sich dir's nicht einmal?

Des Menschen, der die Welt durchstreift
Voll Unmuth und Verdruß,
Nach Osten und nach Westen schweift,
Weil er dich lassen muß.

Heidenröslein

Sah ein Knab' ein Röslein stehn,
Röslein auf der Heiden,
War so jung und morgenschön,
Lief er schnell es nah zu sehn,
Sah's mit vielen Freuden.
Röslein, Röslein, Röslein roth,
Röslein auf der Heiden.

Knabe sprach: ich breche dich,
Röslein auf der Heiden!
Röslein sprach: ich steche dich,
Daß du ewig denkst an mich,
Und ich will's nicht leiden.
Röslein, Röslein, Röslein roth,
Röslein auf der Heiden.

Meeres Stille

Tiefe Stille herrscht im Wasser,
Ohne Regung ruht das Meer,
Und bekümmert sieht der Schiffer
Glatte Fläche rings umher.

Keine Luft von keiner Seite!
Todesstille fürchterlich!
In der ungeheuern Weite
Reget keine Welle sich.

Schäfers Klagelied

Da droben auf jenem Berge,
Da steh' ich tausendmal,
An meinem Stabe gebogen
Und schaue hinab in das Thal.

Dann folg' ich der weidenden Herde,
Mein Hündchen bewahret mir sie.
Ich bin herunter gekommen
Und weiß doch selber nicht wie.

Da stehet von schönen Blumen
Die ganze Wiese so voll.
Ich breche sie, ohne zu wissen,
Wem ich sie geben soll.

Gretchen am Spinnrade

Meine Ruh' ist hin,
Mein Herz ist schwer;
Ich finde sie nimmer
Und nimmermehr.

Wo ich ihn nicht hab'
Ist mir das Grab,
Die ganze Welt
Ist mir vergällt.

Mein armer Kopf
Ist mir verrückt,
Mein armer Sinn
Ist mir zerstückt.

Meine Ruh' ist hin,
Mein Herz ist schwer;
Ich finde sie nimmer
Und nimmermehr.

Nach ihm nur schau' ich
Zum Fenster hinaus,
Nach ihm nur geh' ich
Aus dem Haus.

Erlkönig

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind;
Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm.

Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? -
Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?
Den Erlenkönig mit Kron' und Schweif?
Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif. -

»Du liebes Kind, komm, geh mit mir!
Gar schöne Spiele spiel' ich mit dir;
Manch' bunte Blumen sind an dem Strand;
Meine Mutter hat manch' gülden Gewand.«

Auf der Reise zur Heimat

So seh aufs neu' ich jene Berg' und Tale,
die einst ich in der Kindheit Tagen sah,
es liegt vor mir im gold'nen Sonnenstrahle
die Heimatflur, die altvertraute, da.
Und wie mein Aug' sie schaut, mit einem Male
ist auch die Jugendzeit aufs neue nah;
ich sink' an ihrem Mutterbusen nieder
und fühl' in ihrem Schoß als Kind mich wieder.

Was ich sah

Ein Mädchen so schön
Aus himmlischen Höh'n,
Es neigte sich zu mir hernieder;
Die Herrliche sah
Ich einmal mir nah,
Und nimmer vergess' ich es wieder!

Ich zitterte, stand 
Bezaubert, gebannt,
Mit Purpurgluten übergossen,
Vom strahlenden Glanz 
Geblendet so ganz,
Dass stumm ich die Augen geschlossen.

Letzter Frühling

Ja, noch einmal ist das Wunder geschehn,
das Glück mit beschieden,
wieder in all seiner Wonne zu sehn
den Frühling hienieden!

Durfte noch einmal beseliget schaun
den Winter zertauen,
lieblich die Seen und die Ströme erblaun,
ergrünen die Auen.

Hören noch einmal, des Morgens erwacht,
Schalmeien erklingen,
einmal noch hören, entschlummernd zur Nacht,
die Nachtigall singen.

Am Strome

O Baum, zum Strom gebeugt hinab, 
die Flut ihm küssend liebevoll, 
indessen heimlich grabt dein Grab 
der steten Wogen wild Geroll

gleich dir hab manchen ich gekannt, 
der auch, von gleichem Los bedroht, 
selbst sterbend noch geküsst die Hand, 
die Weh ihm bracht und Todesnot!

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